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Die Geschichte des Hafenbaus

Gänzlich unspektakulär ging es zu, als am 3. April 1916, mittags um 12 Uhr, der Schleppkahn „Minden 52“ in den Osnabrücker Hafen einlief und sich einige Männer wenig später daran machten die Ladung zu löschen. Das Binnenschiff war mit 475 Tonnen Hafer von Bremen über Minden gekommen und sein Eintreffen gilt bis heute als offizielle Eröffnung des Jahrhundertbauwerks. Angesichts des quälend langwierigen Verfahrens, schwer zu ertragender Kompromisse und eines erheblichen finanziellen Aufwands, darf man wohl annehmen, dass die Osnabrücker sich die Inbetriebnahme „ihres“ Hafens anders vorgestellt hatten.

Der Schleppkahn „Minden 52“ Hafen Osnabrück

Der Schleppkahn „Minden 52“ am 3. April 1916 im Osnabrücker Hafen. (Bild Medienzentrum Osnabrück)

»Einfallstor für billige Getreideimporte«

Bereits der Entscheidung zum Bau des Mittellandkanals waren erbitterte politische Auseinandersetzungen vorausgegangen. Der Kanal, dessen Realisierung sich Wilhelm II auf die Fahnen geschrieben hatte, sollte das rheinisch-westfälische Industrierevier mit dem Osten Deutschlands und der Hauptstadt Berlin verbinden. Doch was für den deutschen Kaiser ein modernes Infrastrukturprojekt von nationaler Bedeutung war, sahen adelige ostelbische Agrarproduzenten als Einfalltor für billige Getreideimporte nach Mittel- und Ostdeutschland. Unterstützt vom einflussreichen „Bund der Landwirte“ gelang es den Großgrundbesitzern zahlreiche Politiker auf ihre Seite zu ziehen. Die Folge war, dass Abgeordnete der Konservativen und des Zentrums am 16. August 1899 im preußischen Abgeordnetenhaus mehrheitlich gegen das Kanalbauprojekt stimmten.

Kanalgegner unter den Abgeordneten

Wachsbleiche Hafen Osnabrück

Die alte Wachsbleiche an der Hase mit dem Zugang von der Bramscher Straße; infolge der Flussbegradigung verschwand dieser idyllische Ort.
(Fotograf: Rudolf Lichtenberg, 1911, Museum Industriekultur Osnabrück)

In Osnabrück löste die Nachricht Bestürzung aus und der Jahresbericht der hiesigen Handelskammer vermerkte: „Wir könnten es daher nur als Unglück bezeichnen, wenn die bei der bisherigen Beratung der Mittellandkanal-Vorlage seitens der Widersacher derselben betriebene Verhetzung weitere Kreise zöge.“ Wilhelm II, der die Zustimmung zum Kanalprojekt zu einer Frage der Loyalität gemacht hatte, trug sich mit dem Gedanken, das Parlament aufzulösen. Schließlich wurden 18 Landräte und zwei Regierungspräsidenten in den einstweiligen Ruhestand versetzt, die als Abgeordnete gegen das Kanalbauprojekt gestimmt hatten. Die Gegner des Kanalprojektes, von derartigen Maßnahmen wenig beeindruckt, lehnten 1901 auch die zweite Kanalvorlage ab, obwohl diese weitgehende Zugeständnisse enthielt. Nach diesem neuerlichen Scheitern und aufgrund von Differenzen mit Wilhelm II in Fragen des Kanalbaus, musste Johannes Miquel, Oberbürgermeister von Osnabrück in den Jahren 1865-1870 und 1876-1880, und seit 1890 preußischer Finanzminister, im Mai 1901 den Hut nehmen.

Zwei Schleusen und 14,5 Kilometer Stichkanal

Erst mit der Verabschiedung des preußischen Wasserstraßengesetzes am 1. April 1905 konnte unter der Bezeichnung „Ems-Weser-Kanal“ das Projekt in Angriff genommen werden. Allerdings wurde – entgegen der eigentlichen Zweckbestimmung – der Kanal nur bis zum Misburger Hafen bei Hannover gebaut, die Kanalgegner hatten sich durchgesetzt.
Der erste Abschnitt des Mittellandkanals, der Abzweig vom Dortmund-Ems-Kanal bei Bergeshövede bis Minden, wurde 1915 fertiggestellt. Jahre zuvor hatten die Arbeiten am 14,5 Kilometer langen Stichkanal begonnen, der den Osnabrücker Hafen mit dem Mittellandkanal bei Bramsche verbinden sollte. Da der Wasserspiegel des Mittellandkanals bei + 50,30 m NN lag, dessen Höhe im Stadthafen aber + 59,80 m betrug, war der Höhenunterschied mithilfe zweier Schleusen zu überwinden. Zwölf der insgesamt 14,5 Kilometer des Stichkanals erstellte das Osnabrücker Unternehmen Gebrüder Echterhoff mithilfe von hunderten Arbeitern, Dampflokomobilen, Feldbahnen und Eimerkettenbaggern.

Die Bauarbeiten beginnen

Mit der Verlegung der Flussläufe von Hase und Nette begannen 1912 die Arbeiten am Osnabrücker Hafen. Es folgten das Ausheben des Hafenbeckens und die „Aufhöhung“ des in der Haseniederung gelegenen Hafengeländes, Arbeiten, bei denen die Firma Echterhoff rund zwei Millionen Kubikmeter Erde zu bewegen hatte. Obwohl zunächst größer geplant, entstand nur ein Hafenbecken von 880 Meter Länge, das für den Umschlag auf beiden Seiten Gleisanschlüsse erhielt. Am 1. November 1915 konnte die Hafenbahn offiziell in Betrieb genommen werden.

Bau des Hafenbeckens Hafen Osnabrück

Bau des Hafenbeckens. Links ist die Ausbuchtung für das Wendebecken zu sehen.
(Fotograf: Rudolf Lichtenberg, 1912/13, Museum Industriekultur Osnabrück)

Mit diesen Arbeiten ging ein ausgedehnter Straßenbau einher, der sich nicht auf die unmittelbar für den Hafen neu anzulegenden Straßen beschränkte, er umfasste auch die Anbindung des neuen Gewerbegebietes an das vorhandene Straßensystem. Bis 1915 waren an Baukosten rund 2,7 Millionen Reichsmark aufgewendet worden, die Gesamtausgaben beliefen sich 1922 auf 6 Millionen. Die Summe von 2 Millionen, die für das Anlegen des Hafens ursprünglich veranschlagt worden war, hatte sich demnach enorm erhöht, wobei der im August 1914 ausgebrochene Erste Weltkrieg zur Kostensteigerung nicht unerheblich beitrug.

Als der von einem Dampfschlepper gezogene Lastkahn „Minden 52“ in den Hafen einlief, war der größte Teil der Anlage fertiggestellt, darunter eine lange Reihe von Holzschuppen und ein massives Speichergebäude am nördlichen Ladeufer. Für den Umschlag standen zwei Gleise der Hafenbahn und ein elektrischer Portal-Drehkran zur Verfügung, der am 3. April 1916 die erste Ladung in Säcken und mittels einer Palette aus dem Schiff hob. Am nächsten Tag schrieb darüber das Osnabrücker Tageblatt: „Ein wichtiger Tag ist mit Rücksicht auf die Zeitlage in aller Stille vergangen, der es wert ist, in die Annalen der Stadt Osnabrück vermerkt zu werden.“ Zumindest ein Fotograf hatte die Bedeutung dieses Moments erkannt und ihn auf die Platte gebannt, die es heute noch gibt.

Tipp:

In der Dauerausstellung zeigt das Museum für Industriekultur im Haseschachtgebäude eine kleine Fotoausstellung zum Hafenjubiläum. Es handelt sich dabei um eine kleine Auswahl aus dem Fotobestand, den das Museum Industriekultur zum Thema Osnabrücker Hafen besitzt.

Noch mehr Lust auf Wissen. Dann lohnt ein Blick in die neue Ausgabe des Magazins Osnabrück Wissen. Dort wird zum Beispiel der Frage nachgegangen „Wo schlagen die Osnabrücker um?“

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Gastblogger
Rolf Spilker

Webseite:
http://www.industriekultur-museumos.de

Nicole

Ansprechpartner:in

Veröffentlicht am
03.04.2016

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