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Der Erzverladeplatz der Georgsmarienhütte im Osnabrücker Hafen

Ein Wertpapierprospekt spielt bei der Gründung einer Aktiengesellschaft eine zentrale Rolle, weil darin wesentliche Informationen über Geschäftstätigkeit und Struktur des Unternehmens zu finden sind. Der Prospekt soll den Anleger in die Lage versetzen, sich ein zutreffendes Bild über das Angebot zu machen, damit sich auf dieser Grundlage eine Investitionsentscheidung treffen lässt. Bei einem zu gründenden Hüttenwerk sind ausreichend Rohstoffe die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Produktion. In dem Prospekt, den der Georgs-Marien-Bergwerks- und Hütten-Verein am 5. Mai 1856 herausgab, hieß es u. a., die Region sei „von Natur in einer seltenen Weise mit allen zur Eisenfabrikation erforderlichen Rohmaterialien ausgestattet“ und es werden dem „Eisenhüttenetablissement vortreffliche Eisenerze und Steinkohlen für Jahrhunderte zu Gebote stehen.“

Das Hüttenwerk in Georgsmarienhütte entstand, der erste Hochofen wurde 1858 in Betrieb genommen und das Unternehmen entwickelte sich zunächst zufriedenstellend. Rasch stellte sich allerdings heraus, dass die so hochgelobte Rohstoffsituation nicht das hergab, was sich die Firmengründer erhofft hatten. So wurde bereits im Winter 1866/67 infolge ständiger Störungen bei der Kohlenförderung der Schacht „Glückauf“ im Dütetal bei Oesede stillgelegt. Um die hundert Pferdegespanne transportierten daraufhin Ende der 1860er Jahre unablässig Kohlen vom Osnabrücker Bahnhof zur Georgsmarienhütte, da eine Eisenbahnverbindung noch nicht bestand.

 

Erzverladekräne während der Montage, 1916. Fotografische Sammlung Museum Industriekultur Osnabrück

Erzverladekräne während der Montage, 1916. Fotografische Sammlung Museum Industriekultur Osnabrück

Was das Erz betraf, gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Probleme und durch den Erwerb weiterer Grubenfelder blieb es in den kommenden Jahren dabei. 1904 verstiegen sich Sachverständige noch einmal zu der Aussage, dass die am Hüggel anstehenden Erzmengen bei vollem Hochofenbetrieb die nächsten 80 Jahre ausreichend würden. Tatsache war jedoch, dass einem Teil der gewonnenen Erze „reichhaltigere Erze fremder Herkunft“ zugesetzt werden mussten. Spanische und schwedische Erze kamen über Emden auf dem im August 1899 eröffneten Dortmund-Ems-Kanal bis Saerbeck, von wo sie mit der Teutoburger-Wald-Eisenbahn, der Staatsbahn und der Hüttenbahn 41 Kilometer zur Hütte befördert wurden.

Es lag also auf der Hand: Die Transportfrage war für die Georgsmarienhütte von existenzieller Bedeutung und somit erhielt die Anlage eines Erzumschlagplatzes für das Werk Eingang in die Planungen für einen Osnabrücker Hafen. Der Pachtvertrag für den Lagerplatz wurde zwischen der Georgsmarienhütte und der Stadt Osnabrück am 7./ 18. April 1913 geschlossen. 175 Metern maß das Areal am Hafenbecken, an dem die mit Erz beladenen Binnenschiffe anlegen und entladen werden sollte. Die Pachtzeit begann mit dem Tag der Eröffnung des Hafens.

Erztransportzug beim Beladen im Osnabrücker Hafen. 1935. Fotografische Sammlung Museum Industriekultur Osnabrück

Erztransportzug beim Beladen im Osnabrücker Hafen. 1935. Fotografische Sammlung Museum Industriekultur Osnabrück

Neben dem Bau der Gleisanlage war es Sache der Stadt Osnabrück, zwei Erzverladekräne aufzustellen, die 15 Tonnen heben konnten. Uneinig darüber, von wem der elektrische Strom für die stählernen Riesen geliefert werden sollte, konnte die Anlage vorerst nicht in Betrieb genommen werden, da im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach. Die für die Anlage bereits liegenden großen Kabel beschlagnahmte das Militär. Nachdem es dennoch gelungen war, ein geeignetes Kabel zu beschaffen, setzte die Stadt die Georgsmarienhütte am 20. Juni 1918 darüber in Kenntnis, dass der erste Kran betriebsfähig sei.

Bis das Hüttenwerk über den Hafen nennenswerte Mengen an Erz bezog, sollte es allerdings noch etwas dauern. So vermerkte der Verwaltungsbericht der Stadt Osnabrück 1924: „Die Hoffnung auf eine stärkere Belebung des Verkehrs durch Erzzufuhren des Georgsmarien-Vereins hat sich bisher nicht erfüllt, steht aber in nächster Zukunft zu erwarten.“ 1925 schnellte der Erzumschlag dann auf jährlich 176.687 Tonnen hoch, für 1929 wies die Statistik 245.854 Tonnen aus. Ein Jahr später stellte die Georgsmarienhütte den Erzabbau im Hüggel ein. Seither hatte der Erzumschlag mit Abstand die größte Bedeutung für den Osnabrücker Hafen.

Heute arbeitet auf dem ehemaligen Erzverladeplatz die zur GMH-Gruppe zählende Firma Rohstoff Recycling Osnabrück und versorgt das Hüttenwerk mit Schrottmaterial.

In eigener Sache: 100 Jahre Hafen Osnabrück - anlässlich des Jubiläums veröffentlichen wir in Zusammenarbeit mit dem Museum Industriekultur auf unserem Blog regelmäßig Fakten aus der bewegten Geschichte des Osnabrücker Hafens. Diese Beiträge wechseln sich ab mit Portraits von Zeitzeugen und Menschen, die am Hafen arbeiten und/oder leben.

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Gastblogger
Barbara Kahlert

Webseite:
http://www.industriekultur-museumos.de/

Nicole

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Veröffentlicht am
11.05.2016

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