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Kein Job für Jedermann

Von außen kennt sie fast jeder in Osnabrück – doch wie es in den beiden großen Faultürmen im Klärwerk Eversburg aussieht, will wohl kaum jemand näher wissen. Aber einer muss es: Etwa alle zehn Jahre müssen die knapp 30 Meter hohen Kolosse von innen inspiziert werden. Ein Job, den nur Spezialisten machen können.

Dieser Morgen ist kein gewöhnlicher im Klärwerk Eversburg: Mit einem Kran wird ein Gerüst auf einen der beiden Faultürme gehoben. Später soll sich daran und an einer Seilwinde ein Taucher in die dunkle Brühe herabseilen. Hier, in den silbergrauen Riesen des Klärwerks, werden die Schlämme gesammelt, die während der Abwasserreinigungsprozesse anfallen. Ein XXL-Mixer sorgt dafür, dass die auf 38 Grad Celsius erwärmte Masse ständig durchgerührt wird. Perfekte Bedingungen also für spezielle Bakterienstämme, deren Lieblingsspeise die organischen Reststoffe im Schlamm sind. Sie sorgen dafür, dass Faulgase entstehen.

Für Menschen ist die Umgebung in den Faultürmen dagegen weniger behaglich. Und dennoch müssen die Türme etwa alle zehn Jahre inspiziert werden.

 

„Auch wenn die Masse ständig in Bewegung ist, können sich Ablagerungen an den Mischern und dessen Aufhängungen bilden – sogenannte Verzopfungen. Das sind vor allem Reste von Zahnseide, Textilfasern oder Haare“, erläutert Michael Brunschön, Fachkraft in der Prozessführung. Zweites Problem: Am Boden der Faultürme sammeln sich im Laufe der Zeit Sandablagerungen.

 

Beides – also der Sand und die Verzopfungen – müssen irgendwann raus aus den Faultürmen. Im schlimmsten Fall können sie für Beschädigungen sorgen, zumindest aber stören sie den Betrieb der Anlage. Die Kläranlage in Eversburg muss ständig laufen, daher findet die Inspektion auch im laufenden Betrieb statt. Zwei Tage haben sich die Mitarbeiter einer Spezialfirma Zeit genommen für die Kontrolle. Einen für den etwas kleineren Faulturm, einen für „das Ei“, den größeren der beiden.

 

Klärwerk Eversburg

Klärwerk Eversburg
 

Zeit nehmen müssen sich auch die Kolleg:innen aus dem Klärwerk: Zwei Tage Vorbereitung und ebenso zwei Tage Nachbereitung nimmt die Überprüfung in Anspruch – unterschiedliche Disziplinen arbeiten Hand in Hand. Kolleg:innen aus der Instandhaltung und der Prozessführung bereiten den Tauchgang behutsam vor und bringen die Anlage anschließend wieder in ihren Normalzustand.

Nun geht es los: Der Taucher schlüpft in seinen Trockentauchanzug, wird mit der Luftzufuhr verbunden, seine Kollegen befestigen Bleigewichte an seinem Anzug. Zum Schluss kommt ein spezieller Helm. Im Turm ist der Profitaucher quasi blind und kann die Sandablagerungen und die Verzopfungen lediglich ertasten - bei 38 Grad Celsius Umgebungstemperatur eine psychisch wie physisch äußerst belastende Angelegenheit.

 

Klärwerk Eversburg
 

Weil ständig Gas aus dem Faulturm ausströmt, sind die Sicherheitsvorkehrungen für die Kolleg:innen im Klärwerk und das Spezialunternehmen streng: Überall sind Gaswarngeräte aufgestellt, alle Maschinen und Geräte im Gefahrenbereich sind dafür ausgelegt, in explosionsgefährdeten Bereichen zum Einsatz zu kommen. Das entstehende Gas wird übrigens nebenan im Blockheizkraftwerk verstromt. Dadurch kann sich das Klärwerk zum Großteil selber mit elektrischer Energie versorgen.

 „Das ist natürlich auch für uns keine alltägliche Aufgabe. Umso wichtiger ist es, dass wir alle Sicherheitsbestimmungen einhalten“, sagt Brunschön.

Als der Taucher in seinem Trockentauchanzug langsam in den Turm herabgelassen wird, steigt auch bei den Beobachtern die Anspannung: Wie viele Verzopfungen befinden sich wirklich im Turm? Wie hoch sind die Sandablagerungen am Boden?

Etwa 20 Minuten später geht es für den Taucher wieder in Richtung Ausstiegsluke. Danach herrscht Klarheit bei den Kolleg:innen: Der Taucher hat geringe Sandablagerungen und geringe Verzopfungen ertastet. In fünf Jahren wird die nächste Überprüfung stattfinden.

Klärwerk Eversburg
 

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Lisa

Blogger:in

Veröffentlicht am
13.10.2021

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